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Gummi und Kunststoff sind aus der Medizintechnik nicht mehr wegzudenken. Dank ihrer flexiblen Eigenschaften sind sie wie geschaffen für den Einsatz in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Sie sind bruchsicher, leicht zu reinigen, nehmen keine Gerüche auf und haben ein geringes Allergierisiko. Allerdings ist die Entwicklung von medizinischen Gummi- und Kunststofflösungen eine Herausforderung, denn sie unterliegen strengen Regularien und hohen Qualitätsansprüchen.
Die Eigenschaften von Kunststoffen und Elastomeren lassen sich durch Zuschlagstoffe flexibel an den Einsatzbereich anpassen. Je nach Zusammensetzung sind ihre Charakteristika stärker oder schwächer ausgeprägt. Das macht sie für den medizinischen Bereich attraktiv, denn dieser zeichnet sich durch hohe Anforderungen aus. Ein Werkstoff, der sich flexibel auf einen bestimmten Sterilisationsprozess zuschneiden lässt, ist hier beispielsweise von hohem Wert.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass in der Medizin häufig Single-Use-Produkte zum Einsatz kommen, die sterilisiert angeliefert und nach Gebrauch entsorgt werden. Der Preis spielt daher eine große Rolle. Einwegspritzen, die zu Tausenden von Krankenhäusern geordert werden, dürfen beispielsweise keine hohen Stückkosten aufweisen.
Trotzdem gelten nach wie vor die Qualitätsansprüche der Medizinindustrie. Um diesen Spagat zu schaffen, braucht es flexible Materialien, deren Charakteristika präzise modifiziert werden können.
Es gibt viele Anwendungsbereiche für Elastomere und Kunststoffe in der Medizintechnik. Beispiele sind unter anderem:
Einweghandschuhe und -spritzen als Anwendungsbereich für Polymere
Die Medizintechnik stellt hohe Ansprüche an Gummi- und Kunststoffprodukte, denn Defekte können gravierende Konsequenzen für Gesundheit und Leben der Patient:innen haben. Die spezifischen Vorgaben hängen davon ab, ob und wie das Produkt mit dem Körper in Kontakt kommt.
Für alle Medizinprodukte, die direkten Kontakt mit Patient:innen haben, gilt die Anforderung der Biokompatibilität. Das heißt, sie dürfen keinerlei negative Auswirkungen auf den Organismus haben und müssen frei von gesundheitsschädlichen Stoffen oder Nebenwirkungen sein. Die genauen Spezifikationen der Biokompatibilität sind in der ISO 10993 festgelegt.
Zu beachten ist, dass Biokompatibilität auch Peripheriegeräte betreffen kann, in Form indirekter Zusammenhänge. Dies ist beispielsweise bei Plastikbeuteln für Blutkonserven der Fall. Der Beutel selbst kommt zwar nicht mit dem menschlichen Körper in Berührung, sein Inhalt allerdings schon. Der Kunststoff darf die Blutkonserve nicht kontaminieren. Also gilt auch hier unbedingte Biokompatibilität.
Die Medizin zeichnet sich durch einen breiten Anforderungskatalog aus. Kunststoffe und Elastomere sind hier verschiedenen Chemikalien, Reinigungs- und Lösungsmitteln ausgesetzt und müssen hohen Qualitätsansprüchen genügen. All diese Faktoren haben direkten Einfluss auf die Materialauswahl.
Insbesondere der Sterilisationsprozess stellt Medizinproduktehersteller vor Herausforderungen, denn er setzt das Material ungewöhnlichen Belastungen aus. Abhängig von der Art der Sterilisierung muss medizinische Ausrüstung hohen Temperaturen, Strahlung oder dem Kontakt mit bestimmten Gasen widerstehen, ohne dass sich ihre Charakteristika verändern. Diese zusätzlichen Anforderungen müssen bei der Materialauswahl berücksichtigt werden und schränken die Optionen ein.
Unter anderem beeinflussen folgende Faktoren die Materialauswahl in der Medizintechnik:
Es gibt leider keinen universalen Werkstoff, der sämtliche Anforderungen der Medizintechnik abdeckt. Die Materialauswahl hängt immer vom Einsatzbereich ab. Trotz der hohen Anforderungen haben sich einige Werkstoffe etabliert, die besonders häufig Verwendung finden.
Verschiedene Werkstoffe für die Medizintechnik
EPDM ist ein robuster, langlebiger Synthesekautschuk, der in verschiedenen medizinischen Produkten Verwendung findet. Er ist unempfindlich gegen Wasser(dampf), Alkohol, Säuren sowie alkalische Lösungsmittel. Reinigung und Sterilisation sind daher kein Problem. Der Werkstoff ist in seiner Grundform nicht biokompatibel. Diese Eigenschaft kann jedoch durch Zusatzstoffe erreicht werden. EPDM ist sehr widerstandsfähig und daher ein hervorragendes Allround-Material für die Medizintechnik.
Polyethylen (PE), der weltweit am häufigsten verwendete Kunststoff, besitzt einige Charakteristika, die ihn für die Medizinindustrie attraktiv machen. Er ist beständig gegen Säuren und Laugen, biokompatibel, verschleißfest und relativ günstig. PE findet Anwendung für Verpackungen und Spritzen.
Polypropylen (PP) ähnelt Polyethylen sowohl bezüglich der Verbreitung als auch der chemischen und mechanischen Eigenschaften. Der Werkstoff ist robust, unbeständig gegen Reinigungs- und Desinfektionsmittel und hält hohen Temperaturen stand. PP wird oft für Verpackungen, Gehäuse und Spritzen verwendet.
Polystyrol (PS) ist vor allem wegen seiner optischen Eigenschaften für die Medizinbranche interessant. Der Werkstoff besitzt eine hohe Transparenz und eignet sich daher gut als Glasersatz. PS findet unter anderem Verwendung für Flaschen, Messbecher und Petrischalen.
PVC ist ein robuster, langlebiger Werkstoff, die sich sehr leicht verarbeiten lässt und ausgesprochen günstig ist. In der Medizintechnik findet er unter anderem Verwendung für Schläuche, Katheter und Einweghandschuhe. Da PVC sehr hart ist, werden dem Material oft Weichmacher beigemischt, welche in der Vergangenheit gesundheitliche Bedenken hervorriefen. Mittlerweile sind diese Zusatzstoffe jedoch DEHP-frei (Di(2-ethylhexyl)phthalat) und daher sehr gut für den medizinischen Einsatz geeignet.
Kunststoffe und Elastomere gehören mittlerweile zu den Standardmaterialien in der Medizintechnik. Sie sind leicht, robust, gesundheitsverträglich und relativ günstig. Zudem lassen sich ihre Materialeigenschaften flexibel an den Einsatzbereich anpassen. Wichtig ist jedoch, die Anforderungen an das Produkt sorgfältig zu spezifizieren. Gerade in der Medizinindustrie kann es angesichts der hohen Qualitätsansprüche schwierig sein, einen Werkstoff zu finden, der alle Vorgaben optimal erfüllt. Daher empfiehlt es sich, im Zweifelsfall Materialexpert:innen zu befragen, die sich mit den Fallstricken der Branche auskennen.
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Tobias Bettels ist Vertriebsaußendienstler bei Jäger. Der staatlich geprüfte Betriebswirt hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im Kunststoffvertrieb und war acht Jahre in der Medizintechnik tätig.
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